Buchenwaldlied

Eigentlich fühlte sich Fritz Beda Löhner sicher: "der Hitler mag meine Musik", soll er gesagt haben. Hitler war ja Fan von Franz Lehars Operetten. Aber schon am 1. April 1938 ging der erste sogenannte "Prominententransport" mit 151 Personenvon Wien nach Dachau. Darunter Fritz Beda Löhner, Schöpfer des Buchenwald-Marsches.


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Rezension - Fritz Cremer: Nur Wortgefechte? Schriften, Reden, Briefe  



Gedenkstätte. Am 14. September 1958 wurde die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald eingeweiht, in deren Mittelpunkt die Plastik des Bildhauers Fritz Cremer steht. Auf dem fertigen Sockel standen aber nur provisorisch bronzierte Gipsfiguren, denn die SED-Führung akzeptierte erst den dritten Entwurf. Aber immerhin: Die damalige DDR hatte das erste deutsche Denkmal für die Opfer des Faschismus geschaffen. Das vom Bildhauer Fritz Cremer 1958 fertiggestellte Werk gilt auch heute noch als erstes und bedeutendstes Mahnmal zur Erinnerung an die Gräuel der NS-Konzentrationslager in Deutschland.


1954 hatte Fritz Cremer den Auftrag bekommen, ein Denkmal für die Gedenkstätte Buchenwald zu schaffen. Die Plastik besteht aus einer Gruppe von elf Bronzefiguren, die KZ-Häftlinge darstellen: Kahle Schädel, zerlumpte Kleidung, ausgemergelte Körper. Doch: In der Gruppe sind keine wehrlosen Opfer, sondern heroische Sieger dargestellt. Die von den Nationalsozialisten rassistisch verfolgten Juden, Roma oder Homosexuellen tauchen so nicht auf, denn die SED-Führung hatte bereits zwei Entwürfe des Bildhauers abgelehnt. Die Nationale Mahn- und Gedenkstätte musste auch den Gründungsmythos für die DDR untermauern. Weder Waffen- noch Fahnenträger kamen ursprünglich darin vor. Als 1956 endlich der dritte Entwurf genehmigt wurde, war man mit dem Plansoll arg im Verzug. Deshalb wurden zur Einweihung des Glockenturms im September 1958 provisorisch bronzierte Gipsfiguren auf den fertigen Sockel gestellt. Die monumentalen bis zu vier Meter großen Figuren kamen erst im Sommer 1959 an ihren endgültigen Platz und sind seitdem Symbol für die Opfer und Toten das KZ Buchenwald.


Buchenwald. Die Nationalsozialisten hatten ab 1937 auf dem Ettersberg 250.000 Menschen aus ganz Europa interniert, 56.000 von ihnen kamen dort im Rahmen des Programms "Vernichtung durch Arbeit" ums Leben (Am 14. September 1942 notierte Reichsjustizminister Thierack als Ergebnis einer Aussprache mit Goebbels: "Hinsichtlich der Vernichtung asozialen Lebens steht Dr. Goebbels auf dem Standpunkt, daß Juden und Zigeuner schlechthin (...) vernichtet werden sollen. Der Gedanke der Vernichtung durch Arbeit sei der beste.") Am 11. April 1945 traf die heranrückende US-Armee auf noch rund 21.000 Überlebende.


Im Dezember 1938 forderte "Schutzhaftlagerführer" Arthur Rödl die Häftlinge auf, ein Lagerlied für Buchenwald zu schreiben. Die beiden österreichischen Häftlinge Fritz Löhner-Beda und Hermann Leopoldi schufen in kürzester Zeit das dreistrophige Buchenwaldlied. Als Marschlied spielte es die Lagerkapelle zum Ein- und Auszug der Arbeitskolonnen.


Link ➨       Text: Buchenwaldlied
Wenn der Tag erwacht, eh' die Sonne lacht,
die Kolonnen zieh'n zu den Tages Müh'n
hinein in den grauenden Morgen.
Und der Wald ist schwarz und der Himmel rot,
und wir tragen im Brotsack ein Stückchen Brot
und im Herzen, im Herzen die Sorgen.

O Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen,
weil du mein Schicksal bist.
Wer dich verließ, der kann es erst ermessen,
wie wundervoll die Freiheit ist!
O Buchenwald, wir jammern nicht und klagen,
und was auch unser Schicksal sei,
wir wollen trotzdem ja zum Leben sagen,
denn einmal kommt der Tag: Dann sind wir frei!

Und das Blut ist heiß und das Mädel fern,
und der Wind singt leis', und ich hab' sie so gern,
wenn treu sie, ja, treu sie nur bliebe!
Und die Steine sind hart, aber fest unser Tritt,
und wir tragen die Picken und Spaten mit
und im Herzen, im Herzen die Liebe.

O Buchenwald, ...

Und die Nacht ist kurz, und der Tag ist so lang,
doch ein Lied erklingt, das die Heimat sang:
wir lassen den Mut uns nicht rauben!
Halte Schritt, Kamerad, und verlier nicht den Mut,
denn wir tragen den Willen zum Leben im Blut
und im Herzen, im Herzen den Glauben.

O Buchenwald, ...


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Noten: Buchenwaldlied

Prominententransport. Am 1. April 1938 ging der erste sogenannte "Prominententransport" mit 151 Personenvon Wien nach Dachau. Darunter Fritz Beda Löhner, der Librettist Lehars Operetten und Schöpfer vieler Gassenhauer der 20-er Jahre ("Was machst Du mit dem Knie lieber Hans", "Ausgerechnet Bananen", "Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren", ...) - und des Buchenwald-Marsches.


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Noch bevor der deutsche Einmarsch in den Morgenstunden des 12. März 1938 begann, landeten auf dem Asperner Flughafen in Wien SS-Chef Heinrich Himmler und seine Truppe, die sofort mit der Verhaftung der politischen Gegner begann. Richard Schmitz, Leopold Figl, Friedrich Hillegeist und Franz Olah zählten zu den ersten, die den SS-lern in die Hände fielen. Die SA durchsuchte die nach Osten abgehenden Züge auf freier Strecke nach Flüchtlingen. Und auch schon bevor am 10. April 1938 die hitlerische Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs an das Großdeutsche Reich begann, fuhren die ersten Züge in die Konzentrationslager.


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Die "Prominenten" waren Christlichsoziale, Sozialdemokraten, Monarchisten (Legitimisten), Kommunisten: Friedrich Bock, der spätere ÖVP-Vizekanzler, der SPÖ-Stadtrat Robert Danneberg, Wiens Bürgermeister Richard Schmitz, Niederösterreichs Landeshauptmann Josef Reither, die späteren Bundeskanzler Leopold Figl und Alfons Gorbach, der spätere ÖGB-Präsident und Innenminister Franz Olah, Viktor Matejka, Ludwig Soswinski, der Richter Alois Osio, die Künstler Fritz Beda Löhner und Heinrich Sussmann standen neben zahlreichen anderen auf der Transportliste. Eigentlich fühlte sich Fritz Beda Löhner sicher: "der Hitler mag meine Musik", soll er gesagt haben. Hitler war ja Fan von Franz Lehars Operetten.


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Kulturwanderung: 10. Jänner-  Franz Lehar             

Etwa 50-60 Menschen des ersten "Prominententransportes" waren bereits jüdischer Religion oder Herkunft. Von Anfang an waren die österreichischen Juden die vom nationalsozialistischen Regime am schärfsten verfolgte Gruppe. Zahlreiche Transporte nach Dachau folgten, u. a. am 31. Mai und am 3. Juni 1938 mit je 600 jüdischen Häftlingen; schließlich erreichten die KZ-Einweisungen aus Österreich während des Novemberpogroms 1938 einen ersten Höhepunkt, als 3.700 Juden aus Wien in das KZ Dachau gebracht wurden. Weitere Transporte mit österreichischen Juden gingen in das KZ Buchenwald. Aus allen vorliegenden Berichten geht hervor, dass es während des Transportes und insbesondere bei der Ankunft in Dachau ständig zu Demütigungen und Misshandlungen der Häftlinge seitens des begleitenden SS-Personals kam. "Faules, verjudetes und verpfafftes Kaffeehausgesindel" waren die Österreicher im Jargon der SS. Der erste in Dachau umgekommene Österreicher war der am 28. April 1938 in den Selbstmord getriebene Hans Kotanyi, Gesellschafter der gleichnamigen Paprikamühle; Josef Kende wurde am 24. Oktober 1938 das erste österreichische Opfer im KZ Buchenwald. Ab dem Novemberpogrom 1938 waren oft und nahezu jeden Tag mehrere jüdische Opfer zu beklagen. Während 1938/39 noch Entlassungen von jüdischen KZ-Häftlingen - bei Vorliegen von Einreisedokumenten für andere Länder - möglich waren, setzte nach Kriegsausbruch 1939 im KZ Buchenwald ein permanenter Massenmord an Juden ein, der als Vorstufe des Holocaust anzusehen ist.

Prominente und Prominente. Vom Prominententransport nicht betroffen waren die wirklich Prominenten. Sie hatten sich arrangiert. Der christlich-soziale Politiker Wilhelm Miklas war vom 10.12.1928 bis 13.3.1938 Bundespräsident. Seine Amtsführung dienerte dem Faschismus, weil er weder 1933 die Ausschaltung des Nationalrats verhinderte, noch die Regierungsarbeit auf Grund des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes untersagte. Seine Amtszeit wäre nach sechs Jahren abgelaufen gewesen, trotzdem repräsentierte er weiter für den faschistischen Ständestaat. Doch 1938 zeigte er noch einmal ein Fünkchen Mut, ließ sich doch auch diesen abkaufen. Er trat 1938 zurück, um die rechtmäßige Entstehung des Anschlussgesetzes im Sinne der Verfassung aus dem Jahre 1934 nicht unterzeichnen zu müssen, und erhielt dafür eine "Ehren-Pension" von Adolf Hitler zugesprochen.

Der glücklose Kanzler Kurt Schuschnigg versuchte, in einer Erklärung vom 11. Juni 1938 seine Politik im Nachhinein zu rechtfertigen. Er schloss diese Erklärung mit den Worten: "Persönlich erkläre ich meinen festen und freien Willen, in bedingungs- und vorbehaltloser Loyalität zu Führer, Reich und Volk zu stehen, und wäre froh, der deutschen Sache dienlich sein zu können". Dass der Prominente es auch noch unter den Nazis besser hatte und eine Behandlung erfuhr, von der die im "Prominententransport" nur träumen konnten, zeigt ein Auszug aus den Wachvorschriften der Gestapo Wien vom 8. September 1938: "Dem Sch. ist das Betreten des WC auf Verlangen zu gestatten. Vor dem Betreten muss jedoch das Fenster des WC geschlossen werden. Der diensthabende Wachtmeister hat den Sch. auch während des Aufenthaltes im WC in taktvoller Weise zu überwachen. Die Tür zum WC ist während des Aufenthaltes des Sch. in diesem Raum nicht ganz zu verschließen, so dass eine Überwachungsmöglichkeit besteht . . . Außerdem ist es dem Sch. gestattet, sich Obst und Zigaretten besorgen zu lassen . . . der Wachhabende hat darauf zu achten, dass kein übermäßiger Verbrauch von Alkohol und Zigaretten erfolgt. Falls Sch. an einem Tag mehr als 30 Zigaretten verlangt, ist auf Zimmer 316 Meldung zu erstatten."


Der ehemalige Vorarlberger Heimwehrführer und Landeshauptmann Otto Ender, Kurzzeit -Bundeskanzler und Schöpfer der austrofaschistischen Maiverfassung von 1934, der bis zum Anschluss noch Rechnungshofpräsident war, ließ sich nach 1945 als Verfolgter des Nazi-Regimes bezeichnen. Dem Demokratiefeind hatten die Nazis nicht mehr getan als ihn zu beobachten. Miklas hatte Otto Ender in den Märztagen des Jahres 1938 zweimal gebeten das Amt des Bundeskanzlers zu übernehmen, damit er nicht den Nazi Seyß-Inquart bestellen müsse. Doch Otto Ender drückte sich feige und arrangierte sich in der Folgezeit.

Fritz Beda Löhner. Schon am 13. März 1938 wurde Löhner festgenommen und in das Gefangenenhaus auf der Elisabethpromenade gebracht, am 1. April im "Prominenten-Transport Nr. 1" ins KZ Dachau verfrachtet, im September weiter ins KZ Buchenwald. Dort entstand der "Buchenwald-Marsch", dessen Musik Hermann Leopoldi schrieb. 1942 wurde Löhners Frau, deren Mutter sowie die beiden Töchter nach Minsk deportiert und Fritz Löhner ins KZ Auschwitz-Monowitz verlegt, wo die IG-Farben ein Werk errichten ließ. Eines Tages kamen fünf Direktoren von der IG-Farben, sahen diesen Mann, der sich so dahinschleppte und einer sagte "Der Jude da könnte auch schneller arbeiten" – und das war das Todesurteil. Kurz darauf wird Fritz Löhner von einem Kapo brutal zusammengeschlagen. Er stirbt am 4. Dezember 1942 in der Krankenbaracke.

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Fritz LÖHNER-BEDA

In Wien aufgewachsen, veröffentlicht er schon als Schüler satirische Gedichte, wird bekannt als scharfzüngiger Feuilletonist. Er verfasst Drehbücher für den Stummfilm, schreibt Sketche für den jungen Hans Moser. Seine Welt sind die Kaffeehäuser, wo sich das Künstlervölkchen trifft - er wird berühmt.

Den ganz großen Durchbruch hatte Fritz Löhner-Beda Ende der 20er Jahre als Librettist des Operettenfürsten Franz Lehar. "Das Land des Lächelns" wird ihr größter Erfolg - mit Richard Tauber in der Hauptrolle. Tauber wird durch das "Tauber-Lied" weltberühmt. Die Schallplatte wird zum Mega-Seller der Saison - und macht Löhner zum Tantiemenmillionär. Er ist auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Die für Lehar geschriebenen Operetten "Friedericke" und "Giuditta" werden nicht nur an der Wiener Staatsoper gefeiert.

Auch Hitler zählt zu den Fans der schmalzigen Stücke. Franz Lehar ist sein Lieblingskomponist.
"Freunde, das Leben ist lebenswert", heißt einer der beliebtesten Songs im Wunschkonzert des Weltkriegsdeutschlands. Was die Deutschen nicht wissen, nicht wissen dürfen: der Autor des Liedes ist der Jude Fritz Löhner-Beda. Er muss noch im KZ für die gute Laune und die Propaganda der Nazis herhalten. Und wer kennt sie nicht noch heute, die Gassenhauer: "Was machst Du mit dem Knie lieber Hans", "Ausgerechnet Bananen", "Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren", ...


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Hermann LEOPOLDI 

Hermann Leopoldi. Er wird am 15. August 1888 als Hermann Kohn in Wien/Meidling geboren.Der Sohn eines Musikers erhält Klavierunterricht beim Vater, ab dem 16. Lebensjahr Musiker. Nach Ende des Ersten Weltkrieges gründet er mit dem Komiker Fritz Wiesental das Kabarett Leopoldi-Wiesental. Zwischenspiel in Berlin, Rückkehr nach Wien. In den 1920er und 30er Jahren einer der populärsten Wienerlied- und Schlagerkomponisten. 1937 erfolgt die Verleihung des Österreichischen Silbernen Verdienstzeichen. 

1938 Leopoldi wird in die Konzentrationslager Dachau und später Buchenwald deportiert, wo er auf Anordnung des Lagerkommandanten mit Dr. Fritz Beda-Löhner das Buchenwaldlied schuf, welches die KZ-Insassen beim Marschieren singen mußten. 1939 wird Hermann Leopoldi von seiner Familie 'freigekauft' und kann nach New York emigrieren.

Barpianist im Old Vienna. Als Duo mit der Österreicherin Helly Möslein wird er mit der englischen Version des Wiener Liedes Ein kleines Cafe in Hernals in ganz Amerika berühmt. 1947 kehrt das Duo auf Einladung Bürgermeister Körners nach Wien zurück. Tourneen durch Österreich, Deutschland und die Schweiz, Schallplatten und Film. 1958 erhält er das "Goldene Verdienstzeichens der Republik Österreich". Am 28. Juli 1959 stirbt Hermann Leopoldi an den Folgen eines Herzinfarkts. Hermann Leopoldis Ringelspiel, Powidl Tatschkerl oder Schnucki .. fohr' ma nach Kentucky sind bis heute unvergessen.
25.6.11/10.1.12/

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